Die Kosten für den Ausbau der Strom-Infrastruktur müssen gerechter verteilt werden.
„Auf dem Weg in eine erneuerbare Energiezukunft haben wir schon ein ganzes Stück zurückgelegt“, zeigt sich Netz NÖ Geschäftsführer Werner Hengst zufrieden. Schließlich speisen mehr als 123.000 PV-Anlagen und rund 280 Windkraftanlagen alleine in das Netz der EVN Tochter Netz NÖ ein. Hengst verweist aber gleichzeitig auf das dringend notwendige neue E-Wirtschaftsgesetz (ElWG), das derzeit im Parlament behandelt wird. Dieses bietet die Chance, günstigere rechtliche Voraussetzungen für die Aufrüstung der Strom-Infrastruktur zu schaffen. „Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen sowohl für die Finanzierung als auch geeignete Vorgaben, um den Netzbetrieb effizienter gestalten zu können“, fordert Hengst beim Energiepolitischen Hintergrundgespräch des Forums Versorgungssicherheit am 8. Mai 2025.
Die Sprecherin des Forums Versorgungssicherheit, Brigitte Ederer, mahnt: „Der Ausbau der Netze ist für die Versorgungssicherheit in einem klimaneutralen Stromsystem unbedingt notwendig. Dies erfordert erhebliche Investitionen und es ist wichtig, dass die dafür aufzubringenden Mittel gerecht verteilt werden. Mit geeigneten gesetzlichen Vorgaben könnte man darüber hinaus den Ausbau der Netze teilweise sinnvoll reduzieren und damit auch die notwendigen Mittel begrenzen.“
Der Anteil erneuerbarer Energieträger steigt immer weiter an, berichtet Hengst: „Das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung im Hinblick auf den Klimaschutz.“ Niederösterreich (inklusive jener Landesteile, die aus historischen Gründen von den Wiener Netzen versorgt werden) und das Burgenland sind Spitzenreiter bei Erneuerbaren Energien, betont Hengst, zwei Drittel der installierten Wind- und PV-Leistung Österreichs entfällt auf diese Bundesländer: „Die Energiezukunft findet derzeit im Osten statt.“
Ausbau und Effizienz
Für künftige Anforderungen der Einspeisung und des Bezugs muss daher deutlich ausgebaut werden. Eine Studie des Austrian Institute of Technology (AIT) geht von Investitionen von 24,2 Milliarden Euro bis 2030 in den Verteilnetzen aus. Auch die natürlichen Schwankungen bei Sonne und Wind müssen gemanagt werden. Die räumliche Verteilung von sehr vielen kleinen und mittleren Kraftwerken (anstelle weniger Großkraftwerke) stellt ebenfalls erhöhte Anforderungen.
Die Kosten für den Ausbau müssen früher oder später von den Netz-Nutzern getragen werden – also von den Stromkunden einerseits und den Stromproduzenten andererseits.
Hengst geht noch einen Schritt weiter: „Es gibt kostengünstigere – nämlich innovativere und effizientere – Wege als den Netzausbau bis zur letzten PV-Spitze. Die Energiezukunft kann nicht von den Netzbetreibern alleine getragen werden, sondern erfordert eine gemeinsame Anstrengung der gesamten Gesellschaft.“
Gesetzliche Rahmenbedingungen und Verhaltensänderungen der Netz-Nutzer sind hier erforderlich. So können die Netze insgesamt mehr Strom aufnehmen, wenn die Netzbetreiber die Möglichkeit erhalten, selten auftretende Spitzenleistungen dynamisch zu regeln. Eine gut ausgebaute Speicher-Infrastruktur ist nötig, um das Gefälle zwischen Sommer und Winter auszugleichen – im Sommer wird typischerweise mehr Strom produziert als verbraucht, im Winter verhält es sich umgekehrt. Batteriespeicher sollten auch bei Betreibern von privaten PV-Anlagen zum Standard werden, wünscht sich Hengst: „Je höher der Eigenverbrauch, desto weniger werden die Netze belastet. Wir brauchen deshalb tarifliche Anreize, die es attraktiv machen, Strom für den Eigenbedarf zu speichern statt ihn einzuspeisen.“
Die Netzkosten sollen also stärker verursachergerecht verteilt werden.
Faire Kostenverteilung
Die Veränderungen im Stromsystem haben dazu geführt, dass die Lasten mehr und mehr ungleich verteilt sind, betont Hengst. Derzeit ist immer noch vor allem der Verbrauch für den Strompreis maßgeblich, die in Anspruch genommene Leistung schlägt sich im Tarif nicht nieder. Hengst nennt als Beispiel das Laden von E-Mobilen: „Schnelles Laden mit 11 kW oder noch mehr ist extrem netzbelastend. Wir brauchen daher einen Tarif, bei dem solche Nutzer einen höheren Beitrag leisten, während Haushalte mit üblicher Nutzung gleich bleiben oder sogar entlastet werden.“
Wünsche an die Politik
Abschließend appelliert Hengst an die Politik, die Chance zu nutzen, die sich durch die Arbeit an einem neuen E-Wirtschaftsgesetz bietet: „Mit geeigneten Rahmenbedingungen wird es gelingen, den Ausbau der Netze voranzutreiben, ohne dass die Kosten aus dem Ruder laufen. Aber es muss allen Beteiligten klar sein, dass wir für das Stromsystem der Zukunft auch veränderte gesetzliche Voraussetzungen brauchen.“