Energiepolitik muss auch für die nächste Bundesregierung hohe Priorität haben. Die E-Wirtschaft braucht Planungssicherheit für die Energiewende. Die österreichischen Stromnetze müssen in den nächsten Jahren zügig ausgebaut und technologisch ertüchtigt werden. Allein die Verteilernetzbetreiber rechnen mit Investitionen von 18-20 Milliarden Euro bis 2030. Damit diese Investitionen langfristig geplant und finanziert werden können, braucht die E-Wirtschaft klare Rahmenbedingungen. Die Energiewende müsse daher auch für die nächste Regierung hohe Priorität haben, forderte der Geschäftsführer von Netz Burgenland, Florian Pilz, beim Energiepolitischen Hintergrundgespräch des Forums Versorgungssicherheit am 5. September 2024. „Unser Apell richtet sich an die künftige Regierung“, betonte Pilz, „aber genauso an die amtierende, die ja nach den Wahlen bis zur Bildung einer neuen Koalition voraussichtlich noch einige Wochen im Amt bleiben wird.“
Die Sprecherin des Forums Versorgungssicherheit, Brigitte Ederer, erinnerte daran, dass in der auslaufenden Legislaturperiode mehrere wichtige Gesetze nicht fertiggestellt werden konnten, etwa das ElWG (Elektrizitätswirtschaftsgesetz): „In der Zeit der Koalitionsverhandlungen nach der Wahl werden von der alten Regierung üblicherweise keine großen Reformen mehr in Angriff genommen. Es ist zu hoffen, dass der Stillstand nicht allzu lang dauert, denn die Verteilernetzbetreiber wollen mit Hochdruck weiter an der Transformation arbeiten und brauchen dafür die nötige Planungssicherheit.“
Ehrgeiziges Investitionsprogramm
Pilz verwies darauf, dass die Verteilernetze schon in den letzten fünf Jahren als Treiber der Energiewende gewirkt haben: „Von 2019 bis 2023 wurden PV-Anlagen mit einer Gesamtleistung von 4,7 Gigawatt zusätzlich ins Netz integriert. Bei Windenergie hinkt Österreich mit Ausnahme des Burgenlands und Teilen Niederösterreichs noch etwas nach, aber auch hier stieg die installierte Leistung von 3,1 auf 3,9 Gigawatt.“ Die Digitalisierung der Netze, etwa durch den Einbau von Smart Meter, ermöglichte zudem die Schaffung von Erneuerbaren Energiegemeinschaften.
Doch die Wende ist damit noch nicht geschafft, so Pilz. Derzeit stammen 87% des heimischen Stromverbrauchs aus erneuerbaren, klimaneutralen Quellen. In fünf Jahren sollen es 100% sein, dazu müssen Produktion und Netzinfrastruktur weiter ausgebaut werden.
Erhöhte Anstrengungen sind auch nötig, um den CO2-Ausstoß insgesamt zu senken: „Österreich ist vertraglich verpflichtet, seine Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um 48% gegenüber 2005 zu senken. Doch ein Bericht des Umweltbundesamts zeigt, dass wir ohne zusätzlich Maßnahmen nur 27% schaffen werden.“
Wünsche der Netzbetreiber
Die Energiewende und der Ausbau der Netze müssen also zügig weitergehen. Die Netzbetreiber haben deshalb eine Liste von nötigen Maßnahmen zusammengestellt, mit denen die Netze effizienter gemacht und der Ausbau beschleunigt werden können:
- Bei PV- und Windanlagen muss eine dauerhafte Möglichkeit geschaffen werden, Leistungsspitzen zu kappen. Konkret soll die Einspeisung auf 70% der theoretischen Spitzenleistung begrenzt werden. Für die Einspeiser entstehen dabei nur minimale Verluste von etwa 5% der Jahresproduktion, weil die theoretisch möglichen Leistungsspitzen nur an wenigen Tagen für kurze Zeit erreicht werden. Die Netze können damit aber fast 50% mehr Anlagen anschließen. Pilz: „Dreimal 95% Strommenge sind in Summe mehr als zweimal 100%. Das Gesamtoptimum muss hier Vorrang haben vor dem Maximum für den Einzelnen.“
- Die Netzbetreiber brauchen umfangreichere Möglichkeiten zur Übermittlung und Nutzung von Smart Meter Daten zur besseren Planung und Steuerung des Netzgeschehens.
- Speicher sollen von Netzentgelten befreit werden, so würde ein Anreiz zur Speicherung von Überschuss-Strom geschaffen.
- Netzbetreiber sollen die Möglichkeit erhalten, auch selbst Speicher zu betreiben.
- Genehmigungsverfahren müssen weiter beschleunigt werden. Dazu sind nicht nur einfachere Regeln nötig, sondern auch eine bessere personelle Ausstattung der Behörden.
- Leistungsabhängige Netztarife müssen eine faire Aufteilung der Kosten des Ausbaus ermöglichen. Nicht nur die verbrauchte Strommenge, sondern auch die beanspruchte Spitzenleistung sollen sich auf den Strompreis auswirken.
- Das Tarifsystem soll Anreize für Eigenproduktion und Eigenverbrauch liefern. Wenn die zahlreichen Betreiber von privaten PV-Anlagen und „Balkonkraftwerken“ ihren Strom selbst verbrauchen und den Rest speichern, statt alles ins Netz einzuspeisen, wird die Infrastruktur entlastet.
- Die Kosten für die Infrastruktur müssen bundesweit fair verteilt werden. Im derzeitigen System würden die Konsumenten in einem Bundesland, wo besonders viel Wind- und Sonnenstrom erzeugt wird, die höchsten Netztarife bezahlen müssen – während ganz Österreich vom nachhaltigen Strom profitiert.
„Wir wünschen uns, dass die Energiewende politisch außer Streit gestellt wird“, mahnte Pilz abschließend. Wir wenden uns deshalb mit unserem Appell sowohl an die bestehende wie auch an die künftige Regierung. Die Netzbetreiber stehen für einen konstruktiven Dialog bereit.“