Das Forum Versorgungssicherheit weist seit 2014 regelmäßig darauf hin, dass ein gut ausgebautes und leistungsfähiges Stromnetz die Grundlage für eine erfolgreiche Energiewende ist. Gehört wurde das nicht, die Rahmenbedingungen für den Netzausbau haben sich in den vergangenen 10 Jahren kaum geändert. In weiten Teilen wurde das bisher Erreichte auf Leistungen aus der Vergangenheit gebaut. „Die Netzbetreiber haben über Jahrzehnte hinweg bewiesen, dass sie zum Wohle des Landes eine leistungsfähige Infrastruktur aufgebaut haben“, sagt die Sprecherin des Forum Versorgungssicherheit, Brigitte Ederer. Entsprechend sei es notwendig, jetzt wieder Rahmenbedingungen zu schaffen, damit der nächste Generationen-Ausbau erfolgen kann.
Genau dafür fehlen unterstützende Rahmenbedingungen aber seit vielen Jahren. Das sollte sich allerdings jetzt ändern: Mit dem neuen Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) und begleitenden Gesetzen wie dem Erneuerbaren Ausbau Beschleunigungs Gesetz (EABG) könnten die Rahmenbedingungen für den dringend erforderlichen Netzausbau verbessert werden. Ziel der Bundesregierung ist es, diese Gesetze im Sommer und noch vor den Nationalratswahlen im Herbst zu beschließen. Die Netzbetreiber bringen sich seit Monaten intensiv in den Prozess ein, da sie über umfassende Praxiserfahrung verfügen und wissen, welche Regelungen umsetzbar sind. Außerdem sind sie diejenigen, die die neuen Gesetze letztlich anwenden und mit Leben erfüllen müssen, um die rot-weiß-rote Energiewende möglich zu machen.
Milliardeninvestitionen für die Energiewende
Die Energiewende in Österreich erfordert zudem massive Investitionen. Laut einer Studie des Austrian Institute of Technology (AIT) ist der wesentliche Treiber aktuell der Ausbau der erneuerbaren Energien, im Speziellen der Photovoltaik. Maßnahmen für die Dekarbonisierung der Industrie, des Wärme- und Verkehrs-Sektors kommen noch dazu und belaufen sich bis 2040 auf rund 44 Milliarden Euro. Im Übertragungsnetz sind schon bis 2034 Investitionen von 9 Milliarden Euro geplant, um eine versorgungssichere Energiewende möglich zu machen.
„Das Aufbringen dieser Mittel ist eine Herausforderung, aber machbar“, sagt Manfred Hofer, Geschäftsführer der Netz Oberösterreich GmbH. Er geht davon aus, dass man beim Verursacherprinzip bleiben werde, weil es die Kosten wirtschaftlich und sozial gerecht auf alle Nutzer des Stromnetzes verteilen würde. Hofer: „Wir konnten schon bisher ein für alle Netznutzer leistbares Finanzierungssystem anbieten, jetzt ist es an der Zeit, dieses weiterzuentwickeln. Damit das System wirtschaftlich und sozial gerecht bleibt, sollte in Zukunft derjenige, der das Netz stärker nutzt, auch mehr dafür bezahlen.“ Durch gesteigerten Verbrauch und Speicherung vor Ort werden sich die transportierten Mengen nicht enorm erhöhen. Deshalb ist ein reiner Kilowattstunden-Verbrauchstarif bei erhöhten Netzkosten ungerechtfertigt. Ein sozial- und verursachungsgerechter Netztarif, der sich mehr an der elektrischen Leistung orientiert, ist gerechtfertigt.
Herausforderungen und Lösungsansätze
Es gibt zentrale Herausforderungen bei der Umsetzung von Netzausbauprojekten, von denen letztlich der Erfolg wesentlich abhängig ist. Diese sind:
- Geschwindigkeit der Verfahren: Projekte wie die Stromversorgung im oberösterreichischen Pramtal oder die „Salzburgleitung“ haben extrem lange Laufzeiten, teilweise länger als ein Jahrzehnt. Der Umbau des Energiesystems ist mit derartigen Geschwindigkeiten nicht möglich. Bei Projekten der Energiewende, insbesondere bei Leitungsprojekten, sollten deshalb das öffentliche Interesse gesetzlich verankert und entsprechende Vorrangregelungen festgeschrieben werden.
- Rechtssicherheit: Unterstützende Gesetze müssen Vorhaben ermöglichen und nicht erschweren und noch weiter verzögern. Digitale Genehmigungsverfahren müssen Standard werden, die Behörden müssen mit ausreichend Personal ausgestattet sein, um die Verfahren abwickeln zu können. Verfahren müssen in einem zeitlich vorgegebenen Rahmen rechtsgültig abgeschlossen werden.
- Technik: Flexible Netzzugänge und leistungsbegrenzende Maßnahmen könnten helfen, den Netzausbau effizienter zu gestalten. Das gemeinsame Verständnis und Ziel aller Beteiligten muss sein, ein volkswirtschaftliches Optimum für alle zu erreichen und so schnell wie möglich so viele PV-Anlagen wie möglich mit möglichst geringen Erzeugungsminderungen an das Stromnetz anschließen zu können.
Hinsichtlich der aktuellen smart Meter-Diskussion ist festzuhalten, dass die österreichischen Netzbetreiber ihre Systeme nach den gesetzlichen Vorgaben aus den Jahren 2010/11 ausgerichtet haben. Jetzt zu bemängeln, dass diesen Systemen damals nicht geforderte Funktionen heute fehlen, ist eine Diskussion, die zu keinem sinnvollen Ergebnis führen wird. - Anpassung und Flexibilisierung der Finanzierung: Eine Erweiterung des bestehenden Regulierungsmodells um intelligente, flexible und investitionsfreundliche Komponenten ist erforderlich. Nur so können Anreize geschaffen werden, um den notwendigen Netzausbau zu forcieren, Betriebskosten abzubilden und zusätzliche Finanzmittel aufzubringen.
Experten für Fachdiskurs und schnelle Meinungsfindung und breiten Konsens
In den vergangenen Jahren hat sich eine Haltung von allgemeiner, gesellschaftlicher Akzeptanz hin zum Individualinteresse breit gemacht. „Wir müssen dorthin zurück, dass wir gemeinsam Lösungen schaffen, zu denen alle etwas beitragen müssen, aber von denen auch alle profitieren“, fordert Hofer. Diese Akzeptanz wiederherzustellen sieht er als eine der Grundvoraussetzungen und fordert Klarheit und Transparenz. Er könne sich vorstellen, einen Expertenrat mit unabhängigen Fachexperten zu etablieren, der Streitfragen für alle nachvollziehbar sachlich-fachlich aufbereitet. Hofer: „Wir müssen alle gemeinsam weg vom Floriani-Prinzip und von der Verhinderungsmentalität – sonst kann die Energiewende für eine lebenswerte Umwelt für uns nachfolgende Generationen unserer Kinder nicht gelingen!“
Mit auf Expertenwissen fundierten Entscheidungen sollte es möglich sein, die Grundvoraussetzungen zu schaffen. Darauf können dann realistische Rahmen für die zeitnahe Umsetzung von Projekten entwickelt werden. Weiters erforderlich ist das Bekenntnis aller, dass für das Erreichen von Energiewendezielen auch klare Prioritäten und eine vorausschauende Energieraumplanung erforderlich sind.“