Für die Energiewende müssen die Netze effizienter gemacht werden. Dazu brauchen die Netzbetreiber größere Eingriffs- und Steuerungsmöglichkeiten. Die Energiewende stellt die Verteilernetze vor wachsende Herausforderungen. Um mit dem Ausbau von Wind- und Sonnenenergie Schritt halten zu können, müssen die Netze nicht nur ausgebaut werden, es ist auch notwendig, die Effizienz zu erhöhen. Die Netzbetreiber wollen daher vom Gesetz sowie von der Regulierungsbehörde größere Eingriffs- und Steuerungsmöglichkeiten, um die vorhandenen Effizienz-Potenziale zu nutzen. „Durch größere Flexibilität können wir die Verteilernetze möglichst kostengünstig und schonend für alle Marktteilnehmer in die Energiezukunft zu führen. Aber man muss uns die Möglichkeit dazu in die Hand geben“, sagte der Geschäftsführer der Wiener Netze, Thomas Maderbacher, beim Energiepolitischen Hintergrundgespräch des Forums Versorgungssicherheit am Donnerstag, 7. September.
Im Hinblick auf die volkswirtschaftlichen Kosten ist es ein Gebot der Stunde, das vorhandene Potenzial an Flexibilitäten zu nutzen, mahnte die Sprecherin des Forums Versorgungssicherheit, Brigitte Ederer: „Die Kosten für den Netzausbau dürfen nicht aus dem Ruder laufen, der Ausbau der Netze muss vernünftig geplant werden.“
Neue Aufgaben für die Netze
Maderbacher erinnerte daran, dass die Energienetze das technische Rückgrat der Energiewende bilden: „Je weiter die Transformation der Stromversorgung zu erneuerbaren Energiequellen voranschreitet, desto umfangreicher werden die Aufgaben für die Verteilernetze“. Wind- und Sonnenenergie kommen nicht aus einigen wenigen Großkraftwerken, vielmehr müssen viele dezentrale Erzeuger vernetzt werden. Die großen natürlichen Schwankungen bei Photovoltaik und Wind erfordern zusätzliche Netz-Kapazitäten. Da – erfreulicherweise – immer mehr Wohngebäude PV-Module installieren und diese Haushalte daher nicht nur Konsumenten, sondern auch Produzenten von Strom sind, muss die Energie immer öfter in beide Richtungen transportiert werden. Nicht zuletzt müssen auch Speicher integriert sowie Energiegemeinschaften gemanagt werden.
Flexibilitäten nutzen
Damit der notwendige Ausbau der Strom-Infrastruktur nicht mehr Kosten verursacht, als nötig, müssen den Netzen zusätzliche Instrumente für mehr Flexibilitäten in die Hand gegeben werden. Der Fachausdruck Flexibilitäten bezeichnet die Möglichkeiten, wie Netzbetreiber steuernd ins Stromsystem eingreifen können, um damit Engpässe zu vermeiden. Maderbacher zieht zur Erläuterung einen Vergleich mit einer Autobahn heran: „Wenn zu viele Autos gleichzeitig unterwegs sind, kommt es zum Stau. Es wäre aber unsinnig, eine Autobahn so groß zu dimensionieren, dass auch bei der einmal im Jahr auftretenden Verkehrsflut zu Ferienbeginn kein Stau entstehen kann.“ Viel zielführender ist es, den Verkehr durch Steuerungsmaßnahmen gleichmäßiger zu verteilen.
Im Stromsystem gibt es eine Reihe von solchen Möglichkeiten, doch müssen dafür vielfach erst noch die gesetzlichen und regulatorischen Voraussetzungen geschaffen werden. So sollen die Netzbetreiber Speicher als Betriebsmittel in den Netzen einsetzen dürfen, was derzeit nicht zulässig ist. Verstärkt sollen auch vertragliche Vereinbarungen mit Kunden zum Einsatz kommen, bei denen die Netzbetreiber den Strombezug der Konsumenten gezielt auf Tageszeiten mit geringerer Belastung verlegen. Maderbacher: „In einfacher Form bewährt sich dieses Prinzip seit langem beim Nachtstrom. Solche Lösungen wären bei vielen Geräten möglich, nicht zuletzt beim Laden von E-Mobilen oder bei der Warmwasserbereitung. Dabei ist aber eine entsprechende Mitwirkung der Kunden nötig.“
Um den Konsumenten Anreize für netzschonendes Verbrauchsverhalten zu geben, wünschen sich die Netzbetreiber eine leistungsabhängige Staffelung der Netzgebühren: Wer das Netz weniger stark beansprucht (indem er zum Beispiel langsames Laden für sein E-Mobil wählt), soll dafür belohnt werden.
Schließlich sollen auch beim Einspeisen von Wind- und Sonnenstrom die sehr selten auftretenden extremen Lastspitzen bei Bedarf abgeregelt werden können. Diese Dynamische Leistungsregelung würde den Produzenten Ausfälle lediglich im niedrigen einstelligen Prozentbereich bescheren, die Netze könnten aber insgesamt wesentlich mehr an Strom aufnehmen.
Weichenstellung durch die Regulierung
Maderbacher verweist in diesem Zusammenhang auf die bevorstehende neue Regulierungsperiode, die mit 1. Jänner 2024 beginnt: „Die Regulierung muss die Voraussetzungen schaffen, um die kommenden Herausforderungen meistern zu können, das gilt sowohl für die Finanzierung als auch für die nötigen Rahmenbedingungen.“
Eine konkrete Forderung richtet sich hier auf die flexiblere Handhabung des sogenannten Betriebskostenfaktors. Die Netzbetreiber wollen, dass nicht vorhergesehene Mehrkosten rascher vom Regulator anerkannt werden und in die nächste Tarifänderung einfließen können.