Der Ausbau von Photovoltaik-Anlagen boomt. Er steht aktuell sinnbildlich für den Umbau des Energiesystems für die Energiezukunft. Allein die im Forum Versorgungssicherheit organisierten Netzbetreiber (Netz OÖ, Linz Netz, Netz NÖ, Wiener Netze, Netz Burgenland) sehen sich heuer mehr als 100.000 Anfragen gegenüber. Auch wenn die Bearbeitung teilweise noch länger dauert – nur in wenigen Fällen kommt es zu beschränkten oder aufschiebenden Zusagen. Ablehnungen gibt es nicht.
Brigitte Ederer, Sprecherin des Forums Versorgungssicherheit: „Die Behauptung, die Netzbetreiber seien schuld am Stocken der Energiewende, stimmt einfach nicht. Sie unternehmen im Gegenteil alles, dass ein Rekord-Photovoltaik-Ausbau in dieser Dimension überhaupt erst möglich wird.“
Manfred Hofer, Geschäftsführer der Netz Oberösterreich GmbH: „Wir tun, was wir können, dass so schnell wie möglich so viele Anlagen wie möglich an das Stromnetz angeschlossen werden können.“
Photovoltaik hat sich in kürzester Zeit zum Sinnbild der Energiezukunft entwickelt. In der Gesellschaft herrscht nahezu uneingeschränkter Konsens, dass Strom aus der Sonne die Energieform der Zukunft ist. Die Devise – erst recht seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine – lautet: Weg von fossilen Energien zu nachhaltigen Energieträgern. Denn erneuerbare Energien helfen, den Strompreis und bei hohem Eigenverbrauch die Energiekosten an sich zu senken.
Der Wunsch nach Sonnenenergie ist aktuell so groß, dass es seit Monaten zu einer Überforderung des Marktes kommt: Wechselrichter werden händeringend gesucht, Photovoltaikpaneele sind mancherorts Mangelware und Elektriker mit vollen Auftragsbüchern können nicht mehr jeden Kundenwunsch erfüllen, weil Material, Personal – oder beides – fehlt. „Den Kunden kann es natürlich nicht schnell genug gehen“, stellt Brigitte Ederer, Sprecherin des Forum Versorgungssicherheit, fest. Sie kann die wiederholt geäußerte Kritik, dass wegen der Netzbetreiber nichts weitergehe, aber nicht nachvollziehen: „Bei den Netzbetreibern des Forums Versorgungssicherheit werden heuer fast 100.000 PV-Anlagen bearbeitet, was einer Steigerung um den Faktor 3 im Vergleich zum Vorjahr gleichkommt. Es werden heuer so viele Anlagen zugesagt wie nie zuvor! Hier gibt es keine Verzögerung.“
Außergewöhnliche Steigerung, flexible Anpassungsstrategien
Manfred Hofer hat als Geschäftsführer der Netz Oberösterreich GmbH auf die Vervielfachung der Anfragen reagiert: „Ein derart sprunghafter Anstieg war in dieser Form nicht vorherzusehen und anfangs deshalb auch nicht bewältigbar. Durch Prozessoptimierungen, IT-Umstellungen und -Anpassungen sowie durch flexible Personalmaßnahmen konnte den Engpässen zum Großteil begegnet werden.“ Gänzlich beseitigt sind diese noch nicht, allerdings wurden in allen Mitgliedsunternehmen die Optimierungen massiv vorangetrieben.
- Die fünf Netzbetreiber haben rund 100.000 Anfragen in diesem Jahr entgegengenommen
- Rund ein Zehntel dieser Anfragen wartet noch auf Bearbeitung
- Rund ein Zwanzigstel dieser Anfragen konnte nicht uneingeschränkt zugesagt werden.
Allfällige Rückstände bei der Bearbeitung werden laufend aufgearbeitet. Hofer: „Unser Ziel ist, so viel Photovoltaik wie möglich ans Stromnetz anschließen zu können.“ Und Hofer räumt auch mit einer Mär auf, die – von den Schlagzeilen bis zum Stammtisch – immer wieder wiederholt wird und trotzdem nicht richtiger wird: „Der Netzbetreiber sagt zu keiner einzigen Photovoltaik-Anlage nein. Wir sagen später, wenn vorher ein Netzausbau erfolgen muss. Und wir schlagen Alternativen vor, wenn durch die Anpassungen einer Anfrage eine Zusage deutlich schneller erteilt werden kann.“ Zudem weise man seit Jahren darauf hin, dass man aktiv am Umbau des Energiesystems mitwirken wolle. Hofer: „Wir verhindern den Umbau ganz sicher nicht, wir machen ihn erst möglich.“
Sichere Versorgung steht weiter an erster Stelle
Die Netzbetreiber bekennen sich vollinhaltlich zu den verschiedenen Zukunftsstrategien auf Bundes- und Landesebenen zum Umbau des Energiesystems in den kommenden Jahren. „Wir tun, was wir können. Wir sind aber auch wie jeder andere Teil der Wirtschaft von Lieferketten und Verfügbarkeiten abhängig“, sagt Hofer und bittet Kunden um Geduld.
Aktuell liegen trotz Rahmenverträgen die Lieferzeiten von Transformatoren bei mehr als 70 Wochen. Diese sind zur Verstärkung von Trafostationen in Ortsnetzen nötig und schaffen somit die Möglichkeit, noch mehr PV-Strom in das öffentliche Netz aufzunehmen, Die Lieferzeiten von Kabel und Seilen für den Leitungsbau liegen nicht mehr bei Tagen, sondern meist bei einem halben Jahr und länger. Dazu kommen Genehmigungsverfahren und die Bauabwicklung – alles dauert. Hofer: „Wir müssen alle verstehen, dass die Gestaltung der Energiezukunft kein Sprint, sondern ein Langstreckenlauf ist.“
Bei allen Photovoltaik-Ausbauwünschen weist Hofer aber auch darauf hin, dass es im Stromnetz unumstößliche Prinzipien gibt, die von keinem Netzkunden gefährdet werden dürfen:
- Oberste Prämisse hat immer die sichere Versorgung mit elektrischer Energie. Diese darf durch den Einsatz von Photovoltaik nicht gefährdet werden.
- Unter Einhaltung der Versorgungssicherheit soll so vielen Netzkunden wie möglich die Selbstversorgung mit PV-Strom ermöglicht werden.
- Erst wenn diese Ziele erfüllt sind, kann Netzkunden ermöglicht werden, selbst Photovoltaik-Strom zu erzeugen und dann auch an andere zu verkaufen.
Unterstützender (Rechts-)Rahmen bei Umsetzung gefordert
Für die Netzbetreiber formuliert Hofer auch einen Hilferuf an die Gesetzgeber und die Regulierungsbehörde:
- Nach wie vor sind einfachere und schnellere Verfahren notwendig. Behörden sind dort, wo es notwendig ist, mit dem entsprechenden Personal auszurüsten, um das sicherzustellen.
- Die Umsetzung des Leistungstarifes wird seit Jahren angekündigt und immer wieder trotz Wissens um die Notwendigkeit verschoben und hinausgezögert.
- Prüfung von Möglichkeiten zur Leistungsbeschränkung zur volkswirtschaftlichen Optimierung von Netzkapazitäten (Kappen von Leistungsspitzen), um Engpässe beim Netzausbau zu vermeiden
- Ergebnisoffene und zielorientierte Prüfung von Pilotprojekten, ob Speichermöglichkeiten zur Lösung von Engpässen beim Netzausbau beitragen können
- Attraktivierung und Förderung von Energiespeichern zur Entlastung des Stromnetzes und Eigenverbrauchsoptimierung
Hofer: „Wir brauchen ein Zusammenspiel, die gegenseitige Unterstützung und kein gegenseitiges Blockieren – das Ziel der erneuerbaren Energiezukunft kann nur gemeinsam erreicht werden.“