Die Verteilernetzbetreiber fordern schnellere Genehmigungsverfahren: Es muss möglich sein, die Anforderungen von Ökologie und Landschaftsschutz auch mit strafferen UVP zu erfüllen.
Bei der Energiewende drängt die Zeit. Um das Ziel zu erreichen, müssen bis 2030 zusätzliche Produktionsanlagen mit einer Kapazität von 27 Terawattstunden in Betrieb gehen und die Netze entsprechend ausgebaut werden. Das ist nur möglich, wenn die Genehmigungsverfahren deutlich beschleunigt werden. Die Politik muss durch verbesserte Rahmenbedingungen sicherstellen, dass dieser Ausbau auch in der vorgegebenen Zeit möglich ist.
So lautet die Forderung, die beim Energiepolitischen Hintergrundgespräch des Forums Versorgungssicherheit am 3. März 2022 erhoben wurde. „Die Umweltverträglichkeit einer Leitung oder eines Umspannwerks muss sicher streng geprüft werden“, betont die Sprecherin des Forums Versorgungssicherheit, Brigitte Ederer, „aber wenn diese Verfahren jahrelang verschleppt werden, dann wird sich der nötige Ausbau bis 2030 nicht ausgehen.“
Der Geschäftsführer der Wiener Netze, Thomas Maderbacher, rechnet vor, um welche Dimensionen es dabei geht: Bis 2030 müssen zusätzlich 1.200 Windräder, rund 2 Millionen PV-Anlagen und 5 größere Wasserkraftwerke in Betrieb genommen werden. Der Ausbau der Netze wird 40.000 Kilometer Transport- und Verteiler-Leitungen, 200 Umspannwerke und 12.000 zusätzliche Trafostationen umfassen.
Maderbacher: „Das bedeutet, dass in den nächsten 8 Jahren im Schnitt alle 2 Wochen ein Umspannwerk und alle 5 Stunden eine Trafostation in Betrieb genommen werden müssen. Dazu müssen wir im Schnitt pro Tag 15 Kilometer Stromleitungen installieren.“ Für die größeren Infrastrukturbauten ist vorab eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nötig. Dabei muss in einer Vielzahl von Bereichen – wie Naturschutz, Landschaftsschutz, Gewässerschutz, Sicherheit der Anrainer – nachgewiesen werden, dass die Anlage die Umwelt nicht beeinträchtigt.
Beim Verfahren wird eine große Zahl von Beteiligten einbezogen. Die allgemeine Öffentlichkeit darf Einsicht in die Akten nehmen und Stellungnahmen abgeben. Nachbarn, Umweltanwälte, Standortanwälte und die betroffenen Gemeinden genießen ebenso Parteienstellung wie Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen. Sie alle dürfen Entscheidungen beeinspruchen, können Rechtsmittel gegen Entscheidungen ergreifen und Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof einbringen.
Maderbacher: „Es darf wirklich nicht verwundern, dass sich solche Verfahren in die Länge ziehen.“ Die Verfahrensdauer bei Windkraftanlagen liegt typischerweise bei 1-3 Jahren, manche Leitungsprojekte wie die 110-kV-Leitung in Oberösterreich durch das Almtal warteten 8 Jahre auf den rechtsgültigen Baubescheid.
Die Bundesregierung hat angekündigt, die Verfahren zu beschleunigen, indem vor allem die Behörden personell aufgestockt werden und die Gruppe der zugelassenen Sachverständigen vergrößert wird. „Diese Schritte werden von uns ausdrücklich begrüßt“, so Maderbacher, fügt jedoch hinzu: „Die Maßnahmen werden nicht ausreichen. Wir sind erst auf dem halben Weg. Die Verfahren müssen straffer strukturiert werden und sollten nicht mehr verschleppt werden können. Es ist nicht einzusehen, warum bereits entschiedene Fragen im nächsten Verfahrensschritt immer wieder neu beeinsprucht werden können. Auch das Nachschieben von Beschwerdegründen nach Ablauf der Beschwerdefrist muss ein Ende haben.“
Die Beschleunigung steht keineswegs im Widerspruch zu den Anliegen des Umweltschutzes, betont Maderbacher: „In der Raumordenung sollen im ganzen Land Energie-Zonen definiert werden, wo dann aber zügig gebaut werden darf. Wenn die Politik klare Vorgaben macht, welche Ziele Priorität haben, können die mühsamen endlosen Gutachterkriege vermieden werden.“
Maderbacher wünscht sich auch, dass in der Bevölkerung ein höheres Verständnis für die Notwendigkeiten der Energiewende entwickelt wird: „Den Klimaschutz können wir nur gemeinsam schaffen. Es hat keinen Sinn, Projekte gegen den Widerstand der Menschen durchzudrücken. Es muss aber auch klar sein, dass es ein Allgemeininteresse gibt, das im Zweifel Vorrang vor Einzelinteressen hat.“