Die Energiewende erfordert hohe Investitionen, nicht nur in Produktionsanlagen für Wind- und Sonnenenergie, sondern vor allem in die Netzinfrastruktur. „Ein klimaneutrales Stromsystem ist leider nicht zum Nulltarif zu haben“, betonte der Geschäftsführer der Wiener Netze, Thomas Maderbacher, beim Energiepolitischen Hintergrundgespräch des Forums Versorgungssicherheit am 3. Dezember 2021.
Ab 2022 werden die Netztarife – also jener Teil der Stromrechnung, der nicht für den Verbrauch, sondern für die Nutzung der Infrastruktur berechnet wird – geringfügig erhöht. Für einen durchschnittlichen Haushalt im Versorgungsgebiet der Wiener Netze sind es rund 2,- Euro pro Monat bei Strom und rund 1,- Euro pro Monat bei Erdgas. Die Erhöhung ist nötig, um den Verteilernetzen den nötigen finanziellen Spielraum für Investitionen zu verschaffen. „Den meisten Konsumenten ist vermutlich nicht bewusst, dass die Verteilernetze nicht einfach nur Leitungen sind, sondern eine enorme Fülle an Dienstleistungen im Hintergrund erbringen“, sagte die Sprecherin des Forums Versorgungssicherheit, Brigitte Ederer.
Die Verteilernetze sind gemeinwirtschaftliche Betriebe, die nicht gewinnorientiert arbeiten, sondern einen gemeinnützigen Versorgungsauftrag erfüllen. Die Tarife für diese Dienstleistungen werden von einem Regulator – der E-Control Austria – festgelegt. In den letzten 20 Jahren lautete der Auftrag an die Netzbetreiber vor allem, die Effizienz zu steigern, also die Kosten für die Infrastruktur zu senken. Das ist auch gelungen, rechnete Maderbacher vor: „Gemessen an der Kaufkraft liegen die Netztarife heute um rund 36% unter dem Wert von vor 2001, dem Jahr der Liberalisierung der Energiemärkte, in dem die Netzinfrastruktur von der Erzeugung und dem Handel getrennt wurde, und die E-Control gegründet wurde.“
Hoher Investitionsbedarf für Versorgungssicherheit und Energiewende
In Zukunft kommt es aber darauf an, diese Infrastruktur auszubauen. Maderbacher: „Jetzt geht es nicht mehr vordergründig darum, billiger zu werden, vielmehr müssen wir investieren und technologisch modernisieren.“ Denn in einem zukünftigen Energiesystem, wo ausschließlich erneuerbare Quellen für die Stromproduktion herangezogen werden, gestaltet sich der Betrieb von Verteilernetzen wesentlich komplexer als im alten System, wo es vor allem darauf ankam, Elektrizität von wenigen Großkraftwerken zu den Verbrauchern zu transportieren. Künftig wird es stattdessen viele kleinere und mittlere Produzenten geben, viele Haushalte und Unternehmen werden mittels Photovoltaik einen Teil ihrer Energie selbst erzeugen und mutieren damit zu Prosumern (Produzenten und zugleich Konsumenten). „Erfreulicherweise nimmt das stark zu“, berichtete Maderbacher, „im Versorgungsbereich der Wiener Netze gab es 2021 mehr als doppelt so viele Anfragen für die Integration von Photovoltaikanlagen wie 2019“.
Diese dezentrale Struktur erfordert Investitionen vor allem im Bereich der Mittel- und Niederspannung, also auf der Ebene der Haushalte und Endkonsumenten, so Maderbacher: „Wir müssen neben den Strom-Hauptstraßen vor allem die Landstraßen und Nebenstraßen ausbauen – mit Leitungen, Umspannwerken und intelligenten Trafos.“
Forderung nach Leistungstarif
Um die Kosten für die Nutzung der Netze fair zu verteilen, plädieren die Netzbetreiber dafür, dass künftig nicht nur die verbrauchte Strommenge, sondern auch die beanspruchte Leistung in den Netztarif einbezogen werden soll. Ein solcher Leistungstarif hat vor allem für die E-Mobilität Bedeutung. Denn das Laden von E-Mobilen kann entweder schnell – mit hoher Leistung – oder langsam erfolgen. Die bezogene Strommenge ist in beiden Fällen gleich hoch, doch das schnelle Laden belastet die Netze ungleich höher.
Die Netzbetreiber fordern daher, dass künftig in den Netztarifen berücksichtigt werden sollte, wie hoch die maximal beanspruchte Leistung eines Nutzers liegt („Kilowatt, nicht nur Kilowattstunde“). Maderbacher: „Das wäre vor allem volkswirtschaftlich vernünftig, weil so ein Tarif einen finanziellen Anreiz bietet, Strom gleichmäßiger ohne größere Spitzen zu verbrauchen. Damit ersparen wir uns einen übermäßigen Ausbau, den ja wieder alle Stromkunden bezahlen müssten.“
Erneuerbare Energiegemeinschaften
Eine neue Herausforderung für die Verteilernetze bilden auch die Erneuerbaren Energiegemeinschaften. Die Netzbetreiber befassen sich seit längerem intensiv mit der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben, allerdings sind viele Details hinsichtlich der Abrechnung noch ungeklärt. Maderbacher rechnet damit, dass „es jedenfalls noch das ganze nächste Jahr benötigen wird“, um die volle Umsetzung zu bewerkstelligen: „Vor allem bei den komplexeren Konstrukten, wenn einzelne Konsumenten Mitglieder mehrerer Energiegemeinschaften sind, sind noch Präzisierungen nötig.“