Wenn neue Anlagen stärker Rücksicht auf die Netzinfrastruktur nehmen, können hohe Mehrkosten vermieden werden, forderte Werner Hengst, Geschäftsführer von NETZ NIEDERÖSTERREICH beim Energiepolitischen Hintergrundgespräch des Forums Versorgungssicherheit am 1. Juli 2021. Der Ausbau der Sonnenenergie in Österreich geht zügig voran. Allein in Niederösterreich sind mit Stand Juni 2021 mehr als 43.000 Anlagen am Netz, zusätzlich wurden im ersten Halbjahr 2021 nicht weniger als 10.213 Anfragen für neue Anlagen gestellt.
Im Hinblick auf die Klima- und Energiewende ist dieser rasche Zunahme zu begrüßen, doch sieht Hengst die Gefahr, dass bei einem unkontrollierten Wildwuchs an neuen Anlagen die Verteilernetze rasch an lokale Kapazitätsgrenzen stoßen könnten und dann ein kostspieliger Ausbau nötig ist, der bei besserer Abstimmung und Planung vermieden werden könnte.
Auf mögliche unerwünschte Mehrkosten für die Stromkonsumenten wies auch die Sprecherin des Forums Versorgungssicherheit, Brigitte Ederer, hin: „Jeder zusätzliche Ausbau von Leitungen, Trafostationen und Umspannwerken muss letztlich über die Netztarife finanziert werden.“ Ederer verwies auch darauf, dass mit der möglicherweise noch heuer im Juli bevorstehenden Verabschiedung des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes die Installation neuer PV-Anlagen zweifellos weiter beschleunigt wird: „Die Kosten dürfen nicht einseitig bei den Konsumenten hängen bleiben.“
Dynamische Leistungsregelung
Für Hengst liegt der Schlüssel zu einem netzschonenden Ausbau von Ökostromanlagen vor allem bei der Vermeidung von Überlastungen durch Leistungsspitzen. Photovoltaik und Windenergie zeigen typischerweise starke Produktionsschwankungen, abhängig von der Intensität der Sonneneinstrahlung, bzw. der wechselnden Windstärke. Die Netzbetreiber müssen deshalb extreme Leistungsspitzen „abregeln“, das heißt, dass eine gewisse Menge des produzierten Stroms nicht ins Netz eingespeist werden kann, weil dieses sonst überlastet wäre. Je größer der Spielraum, den das Gesetz den Netzbetreibern bei der dynamischen Leistungsregelung einräumt, desto mehr Strom können die Netze in Summe aufnehmen. Hengst: „Wir hoffen hier auf ein Entgegenkommen der Produzenten, für die es natürlich nicht angenehm ist, wenn sie produzierten Strom nicht verkaufen dürfen. Aber unsere Messungen zeigen, dass die Leistungsspitzen nur selten erreicht werden. Selbst wenn 25% der theoretisch möglichen Spitzenleistung der dynamischen Regelung unterliegen, macht das nicht mehr als 3%-5% der produzierten Jahresmenge aus.“
Optimierter Eigenverbrauch
Besonders effizient ist es, wenn vor allem die Betreiber kleinerer privater Anlagen möglichst viel ihrer Produktion selbst verbrauchen. „Die Netze werden unnötig beansprucht, wenn jemand am hellen Mittag seine Überschüsse einspeist und zwei Stunden später, wenn sich der Himmel bewölkt, wieder Strom aus dem Netz bezieht.“ Durch den Einsatz von Speichern oder durch eine optimierte Nutzen von kurzfristigen Überschüssen etwa zum Aufladen von E-Mobilen oder zur Bereitung von Warmwasser können Schwankungen im Kleinen ausgeglichen werden. Bei gleich hohem Stromverbrauch werden die Netze ungleich weniger beansprucht.“
Standortfragen
Bei größeren PV-Anlagen spielt auch die Wahl des Standorts eine wichtige Rolle. „Derzeit überwiegen die Kleinanlagen“, so Hengst, „nur 2% produzieren derzeit mit einer Leistung von mehr als 30 kVA“. Doch die Anfragen für größere Anlagen nehmen stark zu. Es ist daher wünschenswert, dass solche Produktionsstätten in Regionen angesiedelt werden, wo das Netz noch ausreichend Kapazitäten aufweist und nicht an einem Ort, wo erst ein neuer Trafo oder gar ein neues Umspannwerk gebaut werden müssten, damit die Anlage ans Netz gehen kann.
„Die Verteilernetzbetreiber sehen sich selbst als Ermöglicher der Energiewende“, so Werner Hengst abschließend, „wir investieren massiv in den Ausbau, um mit der Errichtung neuer Produktionsanlagen Schritt halten zu können. Unser Appell an die Betreiber lautet aber: Miteinander schaffen wir das Ziel schneller und zu geringeren Kosten als bei einem sturen Neben- oder gar Gegeneinander.“