Die Energiewende erfordert leistungsfähige Stromnetze, weshalb die Netzinfrastruktur ausgebaut und aufgerüstet werden muss. Wie umfangreich dieser Ausbau zu sein hat, hängt allerdings stark vom Nutzungsverhalten der Konsumenten ab: Wenn zu Spitzenzeiten extrem hohe Belastungen auftreten, brauchen die Netze höhere Kapazitäten, als wenn dieselbe Menge an Energie über einen längeren Zeitraum verteilt verbraucht wird.
Wenn die Kosten für die Netzinfrastruktur (die über den Strompreis von allen anteilig getragen werden müssen) nicht explodieren sollen, muss für die Konsumenten ein finanzieller Anreiz gesetzt werden, um das Auftreten von Leistungsspitzen zu vermeiden. Strom bei niedriger Leistung soll daher in Zukunft weniger kosten als dieselbe Strommenge bei hoher Leistung. Derzeit gilt: Wer zum Beispiel einen Fernseher (ein Flachbildschirm hat typischerweise 100 Watt Leistung) 4 Tage lang ununterbrochen laufen lässt, verbraucht genauso viel Strom wie einer, der vier Backrohre von jeweils 2400 Watt eine Stunde lang voll aufdreht. In beiden Fällen lautet die Summe: 9,6 Kilowattstunden. Der Strompreis wäre der gleiche.
Die Backrohre belasten aber das Netz ungleich stärker, weil sie diese Strommenge in kurzer Zeit und mit hoher Leistung abrufen. Es wäre also nur fair, wenn dieser Verbraucher entsprechend mehr zahlt. Deshalb soll im Stromtarif der Zukunft nicht nur die Menge eine Rolle spielen, sondern auch die Leistung. Technisch ausgedrückt: Die Kilowatt (kW) werden ebenso wichtig wie die Kilowattstunden (kW/h). Derzeit ist im Strompreis für Haushalte eine stets gleiche Netz-Pauschale enthalten, die maximal abgerufene Leistung spielt keine Rolle.
Das war bisher auch nicht nötig – in der Realität dreht kaum jemand vier Backrohre gleichzeitig auf. Im Hinblick auf die E-Mobilität macht es künftig aber einen großen Unterschied, ob jemand dieselbe Strommenge bei hoher Spitzenleistung in kurzer Zeit verbraucht, oder ob sich der Verbrauch über einen längeren Zeitraum verteilt.
Die folgende Tabelle veranschaulicht diesen Unterschied am Beispiel der Ladezeiten von 3 marktüblichen E-Mobilen bei völlig entleerter Batterie.
Ein VW E-Golf verfügt in der Regel über eine Batterie mit 24 Kilowattstunden Speicherkapazität. Das Fahrzeug kann über eine einfache Wallbox geladen werden, die mit einer Leistung arbeitet, wie sie in jedem Haushalt verfügbar ist. In diesem Fall dauert der Ladevorgang 7 Stunden. Wer ihn auf 2 Stunden verkürzen will, braucht eine entsprechend stärkere Leitung, die ihm 11 kW Leistung zur Verfügung stellt – bei noch höherer Leistung verkürzt sich die Ladezeit weiter.
Fahrzeugtyp / (Speicherkapazität und Reichweite) | Ladeleistung
3,6 kW |
Ladeleistung
11 kW |
Ladeleistung
>22 kW |
VW E-Golf
(24 kWh / 190 km) |
rd. 7h | rd. 2h | rd. 1 h |
Hyundai Ioniq Elektro (32 kWh / 280 km) | rd. 9 h | rd. 3 h | rd. 1 ½ h |
Tesla Model 3
(50 kWh / 350 km) |
rd. 14 h | rd. 4 ½ h | rd. 2 h |
Wie Erhebung der Autobranche ergeben haben, würde langsames, leistungsschonendes Laden für die überwiegende Mehrzahl der Autofahrer überhaupt keine Einschränkung bedeuten, denn die tägliche Fahrleistung liegt in Regel unter 40 Kilometer, die Batterie ist abends also keineswegs leer, weshalb das Laden selbst bei 3,6 kW Leistung nicht allzu lang dauert.
Wer sein E-Mobil langsam lädt, tut der Netzinfrastruktur etwas Gutes – und soll künftig auch etwas davon haben. Die Energienetzbetreiber setzen sich für eine neue Tarifstruktur ein, bei der Konsumenten, die das Netzt gering belasten, weniger zahlen als derzeit, während für Kunden, die über einen längeren Zeitraum hohe Leistungsspitzen abrufen, höhere Kosten anfallen.