Wien (OTS) – Wenn Österreich seine Klimaziele erreichen will, müssen auch der Verkehr einerseits sowie die Heizung und Kühlung von Gebäuden andererseits auf CO2-neutrale Energieträger umgestellt werden. Ein Schlüssel für diesen fundamentalen Umbau des Energiesystems liegt in der sogenannten Sektorkopplung: Die Bereiche Strom, Gas, Mobilität und Wärme, die bisher weitgehend getrennte Systeme darstellen, sollen eng miteinander vernetzt werden und dadurch neue Formen der Energienutzung möglich machen. Die Umwandlung von Strom in Gas oder Wärme soll die Effizienz des Gesamtsystems steigern.
Technisch stellt die Sektorkopplung kein Problem dar, sie erfordert aber ein gründliches Umdenken bei den rechtlichen Rahmenbedingungen. Darauf wies die Sprecherin des Forums Versorgungssicherheit, Brigitte Ederer, anlässlich einer Podiumsdiskussion des „Energie-Reports“ zum Thema „“Sektorkopplung – neues Zusammenspiel zwischen Strom, Gas, Wärme und Verkehr“ hin. Ederer: „Derzeit ist noch Unbundling das oberste Prinzip, die einzelnen Bereiche sollen möglichst sauber getrennt sein. Künftig brauchen wir aber Zusammenarbeit und gemeinsame Planung.“ Eine zentrale Rolle bei der Verwirklichung wird dabei den Verteilernetzen zukommen, so Ederer: „Sie werden von reinen Transportleitungen zu Logistikzentren und müssen daher möglichst umfassend über Systemdaten verfügen können.“
Eine der größten Herausforderung liegt in der Speicherung von klimafreundlicher Energie, betonte der Geschäftsführer von Netz Oberösterreich Michael Haselauer. Zum einen brauchen Energieträger wie Wind und Sonne Kurzzeit-Speicher, mit denen die Schwankungen in der Produktion ausgeglichen werden können, die dadurch entstehen, dass die Windstärke oder die Intensität der Sonneneinstrahlung eben nicht beeinflusst werden können. Zum anderen sind saisonale Speicher notwendig, um im Sommer für den deutlichen höheren Bedarf an Heizwärme im Winter vorsorgen zu können. „Für die Langfrist-Speicherung wird es notwendig sein, Strom durch Elektrolyse in Gas umzuwandeln, das kann je nachdem Wasserstoff oder auch Methan sein“.
Wasserstoff wird im Energiesystem der Zukunft eine tragende Rolle spielen, davon zeigte sich Alexander Trattner überzeugt. Trattner leitet HyCentA Research, eines der führenden europäischen Forschungszentren für die energetische Nutzung von Wasserstoff. „Modellrechnungen zeigen, dass es nicht möglich sein wird, den gesamten Energiebedarf stets aktuell kleinräumig zu decken, etwa durch Photovoltaik auf allen Dächern und Wärmepumpen in allen Häusern. Wir brauchen zusätzlich große Produktionsanlagen und Speicher, und das geht nicht ohne Wasserstoff.“
Trattner trat auch dem verbreiteten Bild entgegen, wonach die Umwandlung von elektrischem Strom in andere, speicherbare Energieformen wegen des geringen Wirkungsgrads unwirtschaftlich sei: „Die Elektrolyse hält derzeit bei einem Wirkungsgrad von 70%, wir werden bald 80% erreichen.“ Vor allem aber sei der Wirkungsgrad kein entscheidendes Kriterium, weil es sich um die Verwertung von Überschuss-Strom handelt, so Trattner: „Mit Wind und Sonne müssen wir ja nicht sparsam umgehen, die sind ohne Klimabelastung unbegrenzt verfügbar.“
Damit diese theoretischen Möglichkeiten auch real verwirklicht werden können, muss die Politik tätig werden – davon zeigte sich der Leiter der Forschungsabteilung des Antriebstechnik-Spezialisten AVL List, Peter Prenninger, überzeugt: „Für die Transformation des Energiesystems ist ein politischer Anschub nötig. Es braucht klare Vorgaben, dann zieht die Industrie schnell in die gewünschte Richtung“.
Solche politischen Entscheidungen sollten rasch getroffen werden, weil ohnehin längere Übergangsfristen vorgesehen werden müssen, damit sich Wirtschaft und Bevölkerung umstellen können, ergänzte Brigitte Ederer: „Allen ist klar, dass diese Prozesse länger dauern werden, aber umso wichtiger ist es, rasch die Weichen zu stellen. Der Aufbau eines klimafreundlichen Energiesystems muss zügig vorangetrieben werden.“