Das aktuelle Gastkommentar von Christof Zernatto in Oesterreich Energie, dem Fachmagazin der Österreichischen E-Wirtschaft.
Wer ist schuld an aktuellen Verwüstungen des europäischen Strommarkts? Diese Diskussion ist heißer als mancher Sommertag 2013. Denn inzwischen weiß jeder, der sich mit der Materie beschäftigt, dass die Situation unhaltbar geworden ist. Daher wird Deutschland sicher kurz nach der Bundestagwahl eine knackige Lösung für die Ökostromförderung und/oder eine Reform der Strommärkte präsentieren müssen. Die Akteure auf der wirtschaftlichen, politischen und moralischen Bühne beziehen bereits Position.
Die deutsche Regierung will, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Jahreskongress des BDEW andeutete, die Quadratur des Kreises versuchen. Einerseits soll nicht in bestehende Rechte eingegriffen werden. Das heißt, wer bereits über Einspeiseverträge und -tarife verfügt, kann die hohen Margen aus getätigten Investitionen wie geplant auf die gesamte Laufzeit nutzen. Das bedeutet aber weiterhin hohe und steigende Ökostromzuschläge und einen Strommarkt, der Ökostrommengen aus diesen Anlagen unbegrenzt aufnehmen muss.
Wie man da die Kosten eingrenzen will und was mit neuen Ökostromanlagen und dem traditionellen Kraftwerkspark wird, weiß man noch nicht. Vielleicht kommt ja überhaupt alles ganz anders. Die E-Wirtschaft Deutschlands legt aufgrund mangelnder Rentabilität in steigendem Ausmaß moderne Gaskraftwerke still, dass dem deutschen Strommarktregulator ganz „schwummrig“ wird. Also muss wohl auch über Kapazitätsmechanismen geredet werden. Gleichzeitig spart die Branche massiv Personal, verkauft Assets und plant eine noch nicht ganz erkennbare Zukunft.
Deutsche Oppositionspolitiker und NGOs sehen die Krise anders. Schuld an der Situation sei nicht der Ausbau der geförderten erneuerbaren Energien, sondern die Gründe seien in historischen Förderungen und Vorteilen für fossile Stromproduktion und Atomkraftwerke zu suchen, sagen sie. Müssten Atomkraftwerke sich voll versichern sowie eventuell die früheren Förderungen zurückzahlen und gebe es nicht so viele fossil befeuerte Kraftwerke – die ebenfalls implizit überfördert seien –, dann wären die Erneuerbaren längst wettbewerbsfähig, so der Tenor. Wer hier nachzurechnen versucht, verheddert sich schon bald in einem Zahlenwirrwarr ohnegleichen.
Auch Österreich bleibt von derartigen Diskussionen nicht verschont, so als ob es wichtiger wäre, jemandem den „Schwarzen Peter“ zuzuspielen, anstatt Lösungen zu suchen. Fachfragen bekommen dann manchmal schon einen quasireligiösen Touch, wie beispielsweise die Höhe des Beitrags, den Ökostromeinspeiser zur Stabilisierung der Netze und zum Ausbau der Netze leisten müssen. Denn Ökostrom aus Windenergie oder Sonnenlicht hat die Nische des Kleinen, Experimentellen inzwischen verlassen und muss sich daher gefallen lassen, zunehmend so behandelt zu werden, wie andere Stromproduzenten auch.
Wenn es um die Versorgungssicherheit geht, muss Schluss sein mit dem „Schwarzen Peter“. Der Verweis auf historische Entwicklungen, politische Vorlieben und eventuelle Fehlallokationen auf Basis von Begünstigungen der Vergangenheit bringt nichts. Insbesondere in Österreich, das sowieso eine der saubersten und effizientesten Stromproduktionen Europas hat.
Wie kann es also weitergehen? Die E-Wirtschaft in ihren bisherigen Organisationsformen hat bereits gelernt, dass sie nicht mehr allein am Platz ist. Das begann mit der Liberalisierung und setzt sich jetzt mit der Ökologisierung der Stromproduktion fort. Es gibt neue Player im Revier und es gibt neue Spielregeln. Die neuen Spieler wiederum, die im Bewusstsein, dass ihren Technologien die Zukunft gehören dürfte, durchaus selbstbewusst geworden sind, müssen ebenfalls zu Kenntnis nehmen, dass sie keine vernachlässigbare Größe mehr sind.